VERGEBUNG


Gibt es verlorene Zeit, oder dienen Erlebtes und Versäumtes als Erfahrungswerte?

 

Aufgeschobene Handlungen und verpasste Dialoge erschaffen immer den Geschmack einer Niederlage, doch im Hinblick auf die Reifung persönlicher Konturen, ist das Erforschen aus der zweiten Reihe heraus ein unerwarteter Segen. Nicht unbedingt tun zu müssen, was Talent als Möglichkeit verlangt, macht demütig, sehr unabhängig uns sorgt für klare Strukturen. Das Leben sollte uns mit seinen vielen Möglichkeiten nicht überstimulieren - bleiben wir stets im Rahmen unserer Möglichkeiten, und machen wir uns mit überzogenen Erwartungen nicht selber unglücklich. Viele Menschen bemerken nicht, was für ein wunderbares Leben sie haben.

 

Die Weisheit hat alles im Blick, muss aber nicht auf alles reagieren.

 

Innerer Frieden ist stets mit Lust auf Leben verknüpft, doch wir leben in einer eigens aufgezwungenen Selbstverständlichkeit - glaubhafte Alltagstauglichkeit und empathische Wahrnehmung werden hier nicht abgefragt. Doch der Hunger nach Leben hat auch die Ungeduld mit im Gepäck. Selbst mit dem Wissen, dass nur ein ehrlicher Blick nach innen Erhellung bringt, praktizieren wir einen hohen Egoismus - als trügerische Maßnahme gegenüber einer immer höher werdenden Alltagsbelastung und als Alibi immer mehr zu fordern, als wir brauchen. Doch Schutzmechanismen erzeugen auch immer einen Druck der Unterlegenheit, und die daraus resultierenden Aggressionen leben Menschen jeden Tag gegeneinander aus. Lassen wir uns nicht abhalten das zu tun, was wir eigentlich tun sollten, und wer sich eine Maske aufsetzt, sollte diese auch beizeiten wieder abnehmen.

 

Wir vergeben zu wenig und vergessen zu viel.

 

Das Leben schreit nach Versöhnung, doch wer schlichten möchte, muss sich zuerst entwuten - denn Wut vergiftet. Schutzstrategien können uns retten, doch vorab haben wir uns den Begriffen Vergebung und Versöhnung zu stellen, besonders wenn aus gedachten Sequenzen räumliche Strukturen geschaffen werden. Selbst wenn Vergebung nicht möglich ist, sollte niemals Willkür als Instrument missbraucht werden, um die Interessen derer, von denen wir uns bedroht fühlen, niederzudrücken - vergeben wir der Tat, wenn der Täter nicht reflektieren kann, um den Ballast der Wut nicht weiter zu bedienen und schlimmstenfalls an andere weiterzugeben. Oftmals stimmt es uns milder, wenn wir versuchen, uns in andere Menschen hineinzuversetzen - auf jeden Fall lebt es sich bewusster, wenn wir einen Weg finden, gelebte Momente hinter uns zu lassen.


Vergebung ist eine Wutentlastung.


Lorenz Looke 2023 © Alle Rechte vorbehalten